Die Frage im Titel kann ich für mich persönlich recht schnell beantworten: Nein. Ich habe mich mit meiner Familie nie wirklich wohlgefühlt und habe mein Elternhaus mit 14 über offizielle Wege verlassen. Jahrelang habe ich versucht, einen Ort zu finden, an dem ich mich Zuhause fühlen konnte. Sei es, dass ich jahrelang versucht habe, einen besseren Kontakt zu meiner Familie aufzubauen oder der verzweifelte Versuch, in meiner Schulzeit Freunde zu finden. Ein Zuhause kann in meinen Augen absolut jeder Ort und jede Person sein, doch das ist nicht immer so einfach. Die Schule war ein Ort des Grauens für mich, mein Elternhaus genauso. Bis ich 14 war, hatte ich nichts und niemanden, der mir jemals das Gefühl von Zuhause gegeben hat.
Als ich dann meinen heutigen Partner kennenlernte, änderte sich das endlich. Schnell habe ich begriffen, dass er mir die Möglichkeit gab, mich zu entfalten, ohne mich dabei nicht zu verurteilen. Als er mich das erste Mal besuchte, hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, ein Zuhause gefunden zu haben. Leider war es ein Zuhause, das ich drei Jahre lang nur selten sehen durfte. Mit 17 hatte ich dann endlich die Möglichkeit, alles hinter mir zu lassen und neu anzufangen.
Mit 19 habe ich herausgefunden, dass ich zur queeren Community gehört und obwohl ich zwei Jahre lang keinen Kontakt zu Menschen aus dieser Community hatte, hatte ich auch dort das Gefühl, nicht verurteilt zu werden und dazuzugehören. Mit 21 habe ich mir meinen Kontakt zu queeren Menschen gesucht und bin einer Community beigetreten, die mich anfangs herzlich empfangen hatte. Ich muss zugeben, dass ich mich die ersten Monate absolut willkommen gefühlt habe und so, als hätte ich ein zweites Zuhause gefunden, bis sich das leider geändert hatte. Ich hatte nicht sonderlich viel Wissen zu queeren Themen und bin leider in viele Fettnäpfchen bei Gesprächen mit anderen Menschen getreten.
Leider kam dann auch die Zeit, in der ich versehentlich ein großes Thema erwischt hatte und mein kleines Fettnäpfchen wurde zu einer riesigen Sache. Am Ende des Tages galt ich als diskriminierende Person und wurde daraufhin von Menschen aufgefangen, die meine riesigen Wissenslücken gefüllt haben und mir erklärt haben, was überhaupt passiert ist. Die ganze Unterhaltung über hatte ich nämlich keine Ahnung, was gerade passiert.
Im Endeffekt habe ich ab diesem Tag meine Gefühle überdacht und für mich wurde das Gefühl von Zuhause immer mehr zu einem Gefühl von ungewollt sein. Nach diesem Vorfall habe ich mit Menschen gesprochen, die mir sagten, dass sie aufgrund meiner damaligen Labels ein Wissen erwartet haben, das ich nicht hatte. Ich wurde also aufgrund meiner Labels in eine Schublade gesteckt, in die ich nicht gehörte und die Sachen von mir verlangt hat, die nicht vorhanden waren.
Ein paar Wochen später wiederholte sich das Ganze, was dafür sorgte, dass es mir noch schlechter ging. Wieder galt ich als diskriminierend und wurde angefeindet, ohne auch nur zu wissen, worum es dort genau ging. Anstatt meine Lehren daraus zu ziehen, habe ich in einem kleineren Kreis weiterhin verzweifelt versucht, mich in die queere Community zu integrieren und dort das Gefühl von Verbundenheit und willkommen sein zu fühlen.
Insgesamt ein Jahr lang habe ich es versucht, bis ich mir eingestanden habe, dass ich mir damit nur schade. Nach einem Jahr habe ich mir eingestanden, dass ich das alles nicht mehr möchte und als ich das meinem queeren Umfeld mitgeteilt habe, wurde ich dort angefeindet, beleidigt und ausgeschlossen. Auch wenn sich das jetzt komisch anhört, war das der Moment, in dem ich mich zum ersten Mal in diesem einen Jahr frei gefühlt habe. Zum dritten Mal Diskriminierung durch die eigene Community zu erfahren, hat mir gezeigt, was ich wirklich möchte: Ich selbst sein. Seitdem dieser Schlussstrich gezogen wurde, habe ich jegliche Labels abgelegt und sage mit gutem Gewissen, dass ich ich selbst bin, nirgendwo zugehörig, ohne Label und frei von Erwartungen.
Ich kann nicht beschreiben, wie gut sich das anfühlt und genau dieses Denken hat einen Beigeschmack von Zuhause sein. Es ist kein Ort und keine Person, aber auch in seinem Innersten kann man sich Zuhause fühlen und genau das habe ich geschafft. Das einzige, das jetzt noch fehlt, ist eine eigene Wohnung mit meinem Freund, um auch einen Ort zu haben, an dem ich mich Zuhause fühlen kann. Aber auch so kann ich bisher schon sagen, dass ich mich aktuell gut fühle und mich auch jetzt schon Zuhause fühle, da ich mir diesen Ausgang selbstständig ausgesucht habe.
Wir können selbst darüber bestimmen, bei wem, wo oder wann wir uns Zuhause fühlen und dieses Gefühl kann uns glücklicherweise niemand absprechen. Es ist falsch, an Sachen festzuhalten, die anderen guttun, wenn man sich dort nicht wohlfühlt und man sollte nicht versuchen, sich in etwas zu pressen, das nicht zu einem passt.
~ Anonym
Wow deine Geschichte ist harter Tobak, aber gut geschrieben. Da bekomme ich glatt das Gefühl selbst dabei gewesen zu sein.
Deine Geschichte ist so lebendig geschrieben, als wäre ich selbst dabei gewesen.