Aromantik und Lesen

Früher habe ich total gerne gelesen. Und auch alles was mir unter die Finger kam, Fantasy, Romance, Contemporary und auch der eine oder andere Thriller. Solange es mich interessiert hat, habe ich es gelesen und mich hat fast alles interessiert. Da ich in meiner Kindheit und Jugend sehr wenig Freund*innen hatte, konnte ich meine Zeit mit lesen füllen und auch mein ganzes Taschengeld für sie ausgeben. Bücher waren meine Welt.

Als ich Fanfiction entdeckte, habe ich fast nur noch Fanfiction gelesen. Irgendwann habe ich dann auch mit dem Schreiben von Fanfiction angefangen. Selbstverständlich Liebesgeschichten. Ich hatte sogar ein längeres Fic geplant, mit ca. 25 Kapitel und hatte auch schon gute 32 Seiten davon geschrieben. Ich hatte schon alles geplant, den Verlauf der Geschichte, den Inhalt, in welches Kapitel was soll, ich hatte einen Beta Reader. Der Plan war, dass die Hauptpersonen am Ende in einer romantischen Beziehung sind. Wie das passieren sollte? Keine Ahnung. Dafür war kein Platz in meiner Planung, das passiert immer so nebenbei, zumindest bei den Fanfics, die ich lese. Am Ende sollten sie jedenfalls zusammen sein. Dass sie am Ende beste Freund*innen wären, schien mit plausibel, aber wie sie zusammen kommen sollten überstieg meine Vorstellungskraft.

Dann wurde mir klar, dass ich aro bin. Meine Beziehung zu Büchern und Romanze hat sich schlagartig geändert. Alles, was mir vorher als schön und romantisch vorkam, war auf einmal platt und zu schnulzig. Ich habe ein Jahr lang fast nichts gelesen. Alles, bei dem Romantik vor kam, wurde mit schaudern abgebrochen.

Als ich einer Freundin von dem Fic erzählte und dass ich keine Ahnung hätte, wie die Charaktere am Ende zusammen kommen würden und dass das ja bestimmt ‚irgendwie‘ passieren würde, lachte sie nur und meinte, „nein, das passiert nicht irgendwie“. Oh. Das war mir schon klar, aber auch nicht so wirklich.

Mittlerweile lese ich wieder mehr. Weniger Fanfiction, aber ich habe über 30 ungelesene Bücher im Regal stehen, die nur darauf warten, in die Hand genommen zu werden. Bei diesen Büchern steht auch die Romanze nicht unbedingt im Vordergrund. Die Bücher, bei denen es so ist, werden mit eisernem Willen und einem Zureden von „ach, so schlimm ist es doch gar nicht“ gelesen, während ich mich innerlich über die amatonormativen Stereotypen aufrege.

Bei diesem Aspekt hat sich meine Sicht auf literarische Romanze der auf filmische Umsetzung von Romantik angepasst. In Filmen konnte ich Romantik noch nie so gut aushalten. Schnulzige Szenen sind schwer anzusehen und wenn das Liebespaar sich küsst schaue ich immer weg. Und wenn es dann auch noch Kussgeräusche gibt, will ich mir am liebsten die Ohren zu halten.

Vielleicht bin ich auch wählerischer geworden. Fakt ist, dass ich Bücher, bei denen die Romantik im Vordergrund steht, nicht mehr so gerne lese und gut finde wie bevor ich herausgefunden hatte, dass ich aro bin.

Bei meinem letzten Bücherkauf bin ich sogar nur deswegen zu einer Verkäuferin, um zu fragen, ob das Buch eine Romanze enthält und wenn ja, ob sie im Vordergrund steht. Und ich habe dann auch nur die Bücher mitgenommen, bei denen das nicht der Fall war.

Jetzt frage ich mich, warum ich Bücher mit dem Fokus auf Romantik nicht mehr so gerne lese. Vielleicht weil sie mir ein Lebensentwurf zeigen, den ich nicht erfüllen kann oder will. Vielleicht, weil sie so vorhersehbar sind. Vielleicht bin ich wirklich einfach nur wählerischer geworden. Vielleicht, weil sie Werte einer Gesellschaft widerspiegeln, die ich nicht mehr vertrete kann.

Meine neu entdeckte Abneigung führt dazu, dass ich jetzt nicht mehr so viel Auswahl habe, wenn ich Bücher lesen will. Das ist auf der einen Seite gut, weil ich viel zu viele Bücher lesen will. Auf der anderen Seite ist das schade, weil ich mich dadurch eingeschränkt fühle und mich daran erinnere, dass ich Romanzen früher echt gerne gelesen habe.

Momentan bin ich dabei, einen Weg zu finden, wie ich mit meinen Vorlieben umgehen kann. Ob ich einfach nur so viel Bücher mit Liebesgeschichten lesen muss, bis ich mich wieder daran gewöhnt habe. Oder ob ich es einfach so akzeptiere, wie es gerade ist, weil es immer noch so viel zu lesen gibt.

Fest steht, aro sein und Bücher lesen wollen, genau wie andere Themen, sind eine schwierige Kombination.

~ Johanna