Wünsche an die Aro*-Community

Ich habe das Glück, mich in der Aro*-Community meist ziemlich gut aufgehoben zu fühlen. Ja, es gibt manchmal einzelne Momente, die ich schwierig finde, aber die halten sich in Grenzen. Dennoch habe ich ein paar Zukunftswünsche an die Community. Keine Wünsche die wir von heute auf morgen erfüllen werden können, weil sie wohl eine Menge Arbeit sind. Aber ich möchte sie trotzdem einmal äußern:

  • Unsere Definition von Aromantik: Hier hat sich schon einiges getan in letzter Zeit und ich traue mich zu sagen, dass wir da auf einem guten Weg sind, aber für mein persönliches Erleben ist die Definition von Aromantik oft immer noch viel zu sehr auf das Erleben oder Nicht-Erleben romantischer Anziehung verengt. Klar, eine Person die keine oder kaum romantische Anziehung empfindet, kann aromantisch sein und auf mich – und da bin ich anderen gegenüber wohl privilegiert – würde diese Definition wohl auch zutreffen, aber nicht alle Personen labeln sich aufgrund von empfundener oder nicht-empfundener Anziehung. Letzten Mai habe ich ein Sharepic geteilt, das Aromantik über ein atypisches Verhältnis zu romantischer Anziehung, romantischen Beziehungen und/oder romantisch codierten Interaktionen definiert hat. Das habe ich als offener empfunden und ich würde mir wünschen, dass sich diese Definition noch viel weiter in der Community verbreitet. Manche Menschen bezeichnen sich vielleicht auch als aromantisch, weil sie einfach keine romantische Partner*innenschaft eingehen möchten. Unabhängig davon, welche Anziehung diese Person empfindet oder nicht, wird sie sich mit der Erfahrung aromantischer Personen vermutlich mehr identifizieren als mit der ihrer alloromantischen Umgebung. Und ich würde sagen, das reicht vollkommen aus, um sich als aromantisch zu bezeichnen.
  • Labelwechsel: Erst vor etwas mehr als einem Monat habe ich mich mit einer Person unterhalten, die entschieden hat, keine Labels mehr zu verwenden, weil sie gemerkt hat, dass sie sich dabei selbst zu sehr einengt. Es hat mich schockiert und sehr nachdenklich gemacht, wie wohl andere Personen aus der Community auf diese Entscheidung reagiert haben. Die betroffene Person wurde aufgrund ihrer Entscheidung als queerfeindlich beschimpft und beleidigt. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass so etwas nicht mehr passiert. Wenn eine Person sich entscheidet, die eigene Erfahrung und sich selbst – aus welchem Grund auch immer – nicht mehr zu labeln, darf sie das. Und dann ist das nicht automatisch queerfeindlich. Dann ist das ein Schritt, den diese Person in ihrer eigenen Entwicklung geht. Dasselbe gilt für Personen, die ihr Label wechseln, oder die entscheiden, sich nicht mehr als aromantisch oder aro*spec zu labeln. Wir sprechen immer wieder darüber, dass Identität nicht in Stein gemeißelt ist. Sie kann fluide sein und sich verändern. Einmal abgesehen davon, dass selbst von der in den Stein gehauenen Schrift nichts mehr übrig sein wird, wenn sie lang genug Wind und Wetter ausgesetzt war. Vielleicht ist in Stein gemeißelt dann doch keine so schlechte Beschreibung. Jedenfalls wünsche ich mir, dass wir als Communitiy lernen, besser mit Labelwechseln umzugehen. Es ist nicht so, dass ich keine positiven Beispiele dazu erlebt hätte. Aber wenn ich sehe, was die Negativbeispiele bei den betroffenen Personen anrichten, hoffe ich doch, dass wir das noch ein wenig besser auf die Reihe kriegen.
  • Romantische Anziehung: In meiner bisherigen Zeit in der Arospec*-Community habe ich immer wieder erlebt, dass vergessen wurde, dass wir Menschen in der Community haben, die romantische Anziehung empfinden. Das äußert sich, indem Menschen im Graubereich weniger sichtbar sind, aber auch wenn eine Person versucht, romantische Anziehung aus ihrer eigenen Erfahrung zu beschreiben und dann herabwürdigend oder unsensibel reagiert wird. Nicht, dass ich denke, dass solche Dinge absichtlich passieren und ich fürchte, dass ich da selbst oft genug Fehler mache. Aber ich versuche daraus zu lernen und es beim nächsten Mal besser zu machen und ich würde mir wünschen, dass andere das genauso tun. Ich denke, es ist eine Bereicherung für die Community ganz unterschiedliche Personen und Erfahrungen zu umfassen und halte es für eine Bereicherung, auch Grayaros, Demiaros und weitere Aro*specs quer über das Spektrum verteilt in der Community zu haben. Wir können voneinander nur lernen und ich hoffe nicht nur, dass wir uns dessen bewusster werden und uns um einen respektvollen Austausch bemühen, aber auch noch viele weitere produktive und bereichernde Gespräche mit den unterschiedlichsten Personen auf dem ganzen Spektrum.

Und dann wäre da noch mehr Sichtbarkeit.
Aber das ist, wie auch alles andere, wohl keine so einfache Geschichte. Vielleicht lassen sich alle meine Punkte auch in einen zusammenfassen. Ich denke, ich wünsche mir, dass wir uns in der Community mit gegenseitigem Verständnis begegnen und einander zuhören, bevor wir urteilen und dadurch immer mehr verschiedenen Erfahrungen die Möglichkeit geben, sichtbar zu werden. Ich wünsche mir eine Pluralität von Narrativen und ein wenig utopisch vielleicht, dass wir uns durch andere Narrative nicht mehr in unserer eigenen Identität angegriffen fühlen müssen. Klar, wünsche ich mir auch mehr Sichtbarkeit von Aromantik, dem aromantischen Spektrum und Aro*spec-Themen auf gesellschaftlicher Ebene, aber während ich an diesem Thema dran bin und wieder einen Blogbeitrag über Aromantik verfasse, wünsche ich mir dasselbe auch innerhalb unserer Community. Lasst uns einander ermutigen, unsere eigenen Narrative zu erzählen.
Auch dann wenn sie von den sichtbaren oder dominanteren Narrativen abweichen.
Auch dann wenn wir einander nicht direkt verstehen.

Das sind meine Wünsche für die Zukunft der Aro*-Community.

~ Finn