Lange habe ich gehadert etwas zum September Monatsthema „Zukunft“ zu schreiben und jetzt liegt es eigentlich schon in der Vergangenheit. Egal, ich mach‘s einfach trotzdem.
Um in die Zukunft zu blicken muss ich erst einmal in die Vergangenheit schauen. Damals, zu meinen Teenager-Tagen war meine Zukunft klar: Ich werde eine Frau sein (was das auch immer bedeuten mag), einen Mann heiraten, ein bis drei Kinder haben und damit verdammt noch mal glücklich und zufrieden sein.
Als ich mich mit 19 Jahren das erste Mal verliebte (ich bin demiromantisch veranlagt) wurde es durch die Vorstellung meines damaligen Partners konkreter. Er wollte, dass wir mit 25 Jahren heiraten, dann Kinder bekommen und auf einen alten Bauernhof leben, den wir nach seinen Vorstellungen ausbauen. Dazu sollte ich mich in seinen Augen bitte weiblicher geben, bitte schminken, öfter mal Kleider und Röcke anziehen und ein paar Kilo abnehmen. Na klar, kein Problem, versuche ich gerne alles für „mein Glück“. Bitte nicht falsch verstehen, er Zwang mich nicht zu diesen Dingen und zu dieser Zukunftsvision. Ich hatte nur keine eigene und konnte mir nichts anderes vorstellen, als dass, was mir gesellschaftlich vorgeschrieben schien und da sein Traum da rein passte, wollte ich ihn mitträumen.
Als diese Beziehung – Achtung Spoiler – zerbrach. Zerbröselten auch „meine (nicht ganz eigenen) Zukunftspläne“. Lange quälte ich mich auf der Suche nach einer neuen romantischen Beziehung, weil ich dem Manta folgte: Ich kann nur eine glückliche Zukunft haben mit Mann und Kindern. In einer zweiten romantischen Beziehung mit einer queeren Person stieß ich zum ersten Mal auf andere Narrative. Er wollte keine Kinder und keine Planung, vielleicht nicht einmal zusammenziehen. Ich war davon am Anfang verwirrt und konnte es nicht ganz begreifen und fuhr innerlich noch die eingebläute gesellschaftliche Schiene, von Mutter, Vater und Kind weiter. Irgendwann rückte der Gedanke, dass mir diese Zukunftsperspektive vielleicht sogar ganz gut gefiel, so langsam ins Vorbewusste. Ich bekam ihn nur noch nicht ganz zu fassen. Allerdings ging dann diese romantische Beziehung langsam in eine platonische über (die Person zähle ich immer noch zu meinen engsten Vertrauten).
Nachdem ich wieder Single war, ging der Stress um meine Zukunft weiter. Ich erkannte zu dieser Zeit meine Asexualität, was dem Erreichen meiner scheinbar gesellschaftlich vorherbestimmten Zukunft eine heftige Schlagseite verpasste und sie somit ganz schön ins Trudeln geriet. Aber noch hielt sie sich halbwegs aufrecht. Ich verliebte mich sogar noch einmal. Gott, oder wem auch immer, sei Dank, in dem Wissen, dass ich mich dieser Verliebtheit nicht hingeben darf, weil ich schon wusste, dass die Person mit meiner Asexualität nichts anfangen kann. Die Romantik ließ dabei noch ein letztes Mal den von außen eingepflanzten Wunsch nach der Mutter-Vater-Kind-Zukunft aufflammen. Aber mein Ace-Sein bewahrte mich vor diesem Fehler und ich konnte so, nach und nach, die romantische Anziehung abklingen lassen. Ich entdecke dann auch noch, dass ich mit Gender als Kategorie nichts anfangen kann, ich mich in diesem Bereich nicht labeln möchte und später noch, dass ich auf dem Aro*Spec bin, unter dem Label demiromantisch. Das gab der alten, erlernten Zukunftsvision den absoluten Todesstoß und machte mich frei dafür zu entdecken, was ich selber möchte. Natürlich ging das nicht ganz ohne Struggle.
Tja, und wie sieht jetzt meine Zukunft aus? Ich weiß es noch nicht genau. Auf alle Fälle möchte ich dazu beitragen andere Menschen dazu zu befähigen sich schneller selbst und ihre eigenen freigewählten Zukunftsperspektiven zu finden. Unter anderem deshalb sehe ich meine Gegenwart und Zukunft im A*spec-Aktivismus.
Und ansonsten möchte ich im Jetzt und nicht in der Vergangenheit oder Zukunft leben. Wer weiß schon, was morgen kommt? Ich bleibe einfach gespannt.
~ Noir