Die gesellschaftlichen Vorstellungen zum Thema Liebe und Beziehungen habe ich tatsächlich nie so richtig wahrgenommen. Zumindest solange nicht, bis ich dann meine aromantische Seite entdeckt habe. Beim Outing kamen dann plötzlich Menschen mit vielen Fragen an. Immer wieder kommt die Frage „Und wie lange seid ihr jetzt schon zusammen?“ Auf die Antwort, dass es mittlerweile mehr als fünf Jahre sind, wird sehr oft mit Schweigen reagiert. Viele können nicht wirklich verstehen, dass ich noch immer in einer Beziehung bin. Wieder andere fragen mich, wie ich es denn geschafft habe, meinen Partner kennenzulernen, ohne Gefühle zu haben. Auch die Antwort darauf, trifft sehr oft auf Schweigen.
Sehr oft frage ich mich, wieso Menschen so erstaunt davon sind, dass (gerade) ich eine Beziehung führe, die auch noch funktioniert. Oder dass ich überhaupt jemanden kennengelernt habe, mit dem es in diese Richtung ging. Das scheinen die gesellschaftlichen Vorstellungen zu sein, die ich so nicht kannte. Anfangs habe ich diese Frage noch lächelnd betrachtet, aber schnell ging es mir richtig auf die Nerven.
Auch die Frage „Wie kommt es, dass eine aromantische Person romantische Geschichten schreibt?“ kommt bei mir sehr oft auf. Meine Gegenfrage ist dann immer „Wieso nicht? Wer sagt denn, dass eine aromantische Person keine romantischen Sachen schreiben kann?“ Darauf wissen viele dann keine Antwort. Wenn doch eine kommt, geht sie meistens in die Richtung „Aber du kennst das doch nicht!“ Ja, das stimmt. Aber dennoch kann ich mich damit auseinandersetzen. Immerhin interessiert es mich und ich rede auch gerne zum tausendsten-Mal mit denselben Freunden darüber, wie sich Romantik für diese Leute anfühlt.
Bei mir ist einfach das Interesse an dieser Sache da, die ich eben nicht kenne. Umso stutziger bin ich dann immer, dass meine Sexualität auf so viele merkwürdige Fragen und komische Annahmen stößt. Es gibt Menschen, die mich mindestens einmal im Monat fragen, was ich denn an einer Beziehung mag, wenn es nicht die Romantik ist. Und mindestens einmal im Monat beantworte ich diese Frage damit, dass ich den Zusammenhalt und das Vertrauen liebe, dass meine Beziehung mit sich bringt.
Die gesellschaftlichen Vorstellungen scheinen bei manchen Menschen ziemlich tief zu sitzen. Anscheinend so tief, dass sie sich nicht vorstellen können, dass es anders geht. Einerseits verstehe ich es, da es vielen Menschen vermutlich so beigebracht wird. Aber andererseits ist es irgendwo auch verletzend, dass man selbst als Beispiel dafür auftritt, dass es anders geht und man dann noch ungläubig betrachtet wird oder mit den typischen blöden Sprüchen angegangen wird, über die sicherlich viele von uns einen Roman schreiben können. Ich habe nichts gegen Menschen, die mich ernst nehmen, wie ich bin und dabei versuchen, meine Seite zu verstehen. Auch habe ich nichts gegen Menschen, die das nicht können und vielleicht zum tausendsten-Mal nachfragen und es noch immer nicht verstehen. Aber ich mag es nicht, wenn Menschen lediglich den gesellschaftlichen Erwartungen nachrennen und nicht sehen, dass sie damit andere verletzen.
~ Sterni