Für mich gibt es einen riesigen Unterschied zwischen Freundschaften und platonischer Anziehung. Ich bin ein Mensch, der aktiv den Kontakt zu anderen Menschen sucht. Ich brauche ihn und würde ohne eingehen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass ich mit jeder Person befreundet bin, mit der ich Kontakt habe. Es ist einfach ein Bedürfnis, welches ich erfülle. Der große Unterschied zu einer platonischen Beziehung: Sie ist für mich deutlich mehr als das Erfüllen eines Bedürfnisses und auch weit mehr als eine Freundschaft.
Ich habe den Begriff erstmalig gehört, als ich eigentlich schon seit Jahren so eine Beziehung geführt habe. Anfänglich habe ich die Beziehung zu meinem Partner als eine romantische Beziehung deklariert, obwohl sie das eigentlich nie war. Jedoch kannte ich keine anderen Begriffe und hielt es für richtig. Ich weiß nicht, wie viel ich mir von Filmen abgeschaut habe und wie oft ich mich verstellt habe, um ‘alles richtig zu machen‘. Im Nachhinein bereue ich das alles zutiefst.
Als ich auf den Begriff ‘platonische Anziehung‘ gestoßen bin, klang alles viel zu schön, um wahr zu sein. Es gibt Beziehungen, die nicht romantisch sind und trotzdem eine tiefe emotionale Ebene beinhalten? Das war damals unglaublich für mich. Recht schnell habe ich mich in das Thema eingelesen und verstanden, was ich für meinen Partner empfinde. Dies war auch der Grundstein dafür, dass ich später für den Begriff ‘Aromantik‘ offen war, als ich auf eben diesen gestoßen bin. Hätte ich den anderen Begriff nicht gekannt, hätte ich mich wohl nie damit auseinandergesetzt.
Durch diesen Begriff hatte ich meine ganzen Vorstellungen einer Beziehung noch einmal überdacht und vieles umgeworfen. Plötzlich war es in Ordnung, dass ich nichts für Romantik übrig hatte und dass ich mich nicht an seine Brust werfen und mich zu Tode knuddeln lassen möchte. Es war plötzlich okay, dass ich innerlich immer dachte, was ich heute ausspreche: Mein Partner ist mein bester Freund.
So eine Verbindung hatte ich vor ihm noch zu keinem Menschen, weshalb ich so überfordert damit war. Ich sehe ein Problem darin, dass der Begriff (in meinen Augen) so unbekannt ist. Ich habe es jahrelang mit romantischen Gefühlen verwechselt und mir nur allzu oft Vorwürfe gemacht, da ich nicht ‘wie die anderen‘ war. Sich an Filmen und Serien zu orientieren kann ich mittlerweile als unglaublich doofe Idee bezeichnen, nachdem es früher der einzig richtige Weg für mich war.
Ich habe gelernt, dass es okay ist, zu Menschen eine platonische Anziehung zu empfinden und dass diese nicht automatisch romantischer Natur ist. Auch ist es okay, nicht alles nachzumachen, was andere machen. Und es ist auch okay, diese Anziehung zu empfinden, ohne dabei romantische Interessen zu haben. Es hat einige Zeit gedauert, war aber ein unbegreiflicher Schritt für mich, der mir so sehr geholfen hat. Er hat mir die Freiheit geschenkt, die ich heute habe. Er hat mir den Druck genommen, den ich früher hatte. Ich muss nicht so sein wie andere und ich muss keine romantische Anziehung zu meinem Partner empfinden, um eine Beziehung mit ihm zu führen.
Es ist okay, meinen Partner als meinen besten Freund zu betrachten und dabei zu lächeln, da es genau der richtige Begriff für ihn ist!
~ Sterni