Meine Aromantik prägt für mich vor allem die Art und Weise, in der ich über Beziehungen zu anderen Menschen nachdenke. Ich beobachte aus der Position einer Unbeteiligten, wie andere Menschen um mich herum sich verlieben, zusammenkommen, sich verloben und heiraten, oder sich streiten und sich wieder trennen. Für mich gibt es keine bessere Beziehungsform als eine platonische, oder auch eine tiefe Freund:innenschaft, die gegenseitiges Commitment, Vertrauen und schöne gemeinsame Zeiten beinhaltet. Ob ich jemals “verliebt” im romantischen Sinne war? Ich kann hierauf keine abschließende Antwort geben, ich tendiere zu “nein”. Platonische Gefühle können manchmal schwierig von romantischen abzugrenzen sein. Ich bin in der Lage, starke Zuneigung und platonische Liebe zu Menschen zu empfinden. Wenn ich mir allerdings durchlese, wie sich romantische Liebe für andere Personen anfühlt – diese Beschreibungen enthalten oft Begriffe wie “schwärmen”, “Nervosität”, eine gewisse “Obsession” mit der Person, und sogar körperliche Wahrnehmungen wie “Schmetterlinge im Bauch”. Das ist nicht, wie ich Zuneigung oder Liebe empfinde. Auch häufig beschriebene Bedürfnisse, die häufig mit romantischer Anziehung korrelieren – Menschen küssen zu wollen, ihnen Geschenke machen zu wollen oder die mögliche “Ewigkeit” der Beziehung zu zelebrieren – sind keine, die ich habe. Ein anderer Punkt ist “Dating”, daran war ich nie interessiert.
Für mich ist Zuneigung ein kostbares Gefühl. Es gibt so viele Menschen, die ich gerne habe, und Zuneigung fühlt sich für jede Person etwas anders an. Zuneigung entsteht für mich häufig aus Sympathie heraus. Von manchen Menschen werden “platonische Crushes”, sogenannte “Squishes” beschrieben, die gibt es bei mir nicht. Für mich ist Sympathie und ein gutes Gespräch häufig der allererste Beginn einer neuen Freund:innenschaft. Freund:innenschaften sind mir extrem wichtig. Ich werde in jeder Situation des Lebens für meine Freund:innen da sein. Ich werde den Kontakt zu diesen Menschen auch niemals im Sande verlaufen lassen. Körperliche Nähe ist nicht notwendig, wäre häufig schön, gesellschaftliche Normen halten mich in den meisten Fällen aber davon ab. Emotionale Nähe ist viel zentraler.
Viele Menschen priorisieren ihre romantischen Beziehungen über ihre Freund:innenschaften. Als ich noch jünger war, war das richtig schmerzhaft für mich. Eigentlich ist es inzwischen nicht weniger schmerzhaft geworden, ich habe nur gelernt, meine Gefühle im richtigen Moment abzuschirmen.
Wenn ich an meine Zukunft denke, kann ich mir gut vorstellen, mit zwei oder drei anderen Erwachsenen und einem oder mehreren Kindern zusammenzuleben. Ich finde Mehrelternschaften unglaublich spannend, nicht im Sinne von mehr oder weniger “anonymem” Co-Parenting, bei dem Eltern sogar in verschiedenen Städten wohnen können und das Kind/die Kinder pendeln muss/müssen, sondern so, dass die Eltern tatsächlich zusammenleben und untereinander gut befreundet sind. Nachdem ich von einer solchen Familie gelesen hatte, hatte ich zum ersten Mal eine Idee davon, wie meine Zukunft aussehen könnte.
Aromantik bleibt für mich trotz allem eine Beschreibung, sie ist genauso wenig wie Labels aus dem asexuellen Spektrum, die theoretisch auf mich zutreffen, Bestandteil meiner Identität. Wenn “queerplatonisch” nicht nur als Beziehungsterm, sondern auch als Identitätsterm etabliert wäre, würde ich diesen ubiquitär verwenden, um meine Queerness zu beschreiben. So bleibt mir nur die private Nutzung.
~ Lea