Ich liebe dich nicht.
Ich habe dich nie geliebt und ich werde dich nie lieben können, selbst, wenn wir die Verbindung zueinander wieder fänden.
Selbst, wenn eines Tages die Sterne einmal richtig ständen, wir über unseren Clinch und unsere Zerissenheit hinwegsehen könnten.
Selbst, wenn ich meine Angst vor Nähe und Verletzlichkeit überwände und wieder Vertrauen zu dir finden könnte und meine Mauern und Wände einreißen würde.
Am Ende, habe ich es versucht, ja, habe mich gezwungen dich lieben zu wollen und dir alles zu geben, woran es mir möglich war zu denken, dir meine Aufmerksamkeit und Zuneigung zu zeigen, meine Schatten und Tiefen, meine Gedichte und Briefe darüber, wie wert es du mir warst, meine Vergangenheit, über die ich nie mit irgendjemandem rede und meine Zukunft, die in mir Zittern und Furcht vor allem, was kommen mag, auslöst, die ich bereit war, mit dir zu gehen.
Komme, was wolle.
Aber ich liebe dich nicht, weil ich aromantisch bin.
Ein Wort, dessen Bedeutung ich schon seitdem ich es mit mir trage, irgendwie wusste, aber nie so richtig verstand, denn ich wusste nicht, was mich mit ihm verbinden sollte, welche Gestalt es für mich annehmen würde.
Mir fiel auf, dass niemand jemals gut genug für mich war, dass ich dich und andere nie so sah, wie es mir eigentlich in den Sinn kam, wofür Liebe denn da war, dass ich in den Armen einer anderen Person und an ihrem Körper den sensorischen Input zwar ganz angenehm fand, aber mich, das was ich hatte, nie zufrieden stellte und ich mich jedes Mal fragte:
Ist das schon alles?
Dass ich kein in mir wohnendes inneres Bedürfnis verspürte, ein Leben mit einer zweiten Seele, die meine fixen würde, aufzubauen und schlicht und ergreifend zu dem Schluss kam:
Das war nicht die Nische, in die ich hineingehöre.
Unter’m Strich spüre ich Liebe nicht, kenne keine Schmetterlinge im Bauch, frage mich, wo sind die schwitzigen Hände, das Zittern, die Nervosität, warum klopft mein Herz nicht mehr und nicht weniger und warum ist eine stille Zufriedenheit in Anwesenheit eines oder einer Anderen das höchste der Gefühle, was bei mir geht?
Unter’m Strich sehe ich Paare und verstehe sie nicht, wie sie nach Monaten oder gar Jahren immer noch nur diese eine Person im Kopf haben.
Wie sie an guten und an schlechten Tagen Konflikte, Langeweile, Vertrauensbrüche, Verletzungen, Verrat oder gar Verachtung gegenseitig ertragen, einfach nur um zu sagen: Ich bin nicht alleine.
Wie sie nicht, nachdem die Verantwortung verebbt, das Haus abgezahlt, die eigenen Eltern gepflegt und zur Ruhe gebracht, die Kinder auf eigenen Beinen stehen, sich immer noch dagegen wehren sich einzugestehen, dass es besser wäre, würden sie getrennte Wege gehen.
Wie sie, aller Widrigkeiten zum Trotz, es nicht lassen und nicht nach einer langen gemeinsamen guten Zeit zu Zweit feststellen wollen, dass sie sich auseinander entwickelt haben und vielleicht nicht mehr zueinander passten.
Nun bin ich doch aromantisch und all diese Dinge gehen nicht in meinen Kopf hinein und ich ließ es aber selber nicht sein.
Ich wollte immer, dass es wahr war, dass ich nie dachte, jemand anderes könnte mich retten, obwohl ich mich dabei immerzu erwischte, wie ich nicht dachte, aber spürte, eine romantische Beziehung wäre das, was ich gerne hätte.
So wollte ich es nie denken, habe mich immerzu geschämt und verachtet dafür, ein Hypokrat zu sein, aber am Ende des Tages hasste ich es alleine zu sein.
Mein ganzes Leben lang habe ich mich einsam gefühlt und von niemandem verstanden und ich habe drei Therapien und 10 Jahre verschwendet, es herauszufinden, warum ich mich so anders fühlte, wie ein shapeshifting Alien unter Normalsterblichen.
Am Ende tat es nichts zu Sache, ob es nun mein zerstreutes Gehirn, mein Geschlecht, meine Eltern, meine Queerness oder das war, was passierte zwischen den Jahren, als ich 14 und 20 war.
Am Ende habe ich dennoch geglaubt, du und alle anderen vor dir wären die Antwort auf all meine Fragen.
So bin ich zwar aromantisch, aber ich habe dich nicht umsonst „das Beste“ genannt, weil du warst es mit Abstand.
Du hattest zwar keine große Konkurrenz, aber das machte nichts zur Sache, die Connection, die wir hatten, war ungezähmt und ungeschliffen, wie ein Diamant, der noch nicht geerntet wurde.
Unter’m Strich habe ich nicht bedacht, dass die Entscheidung mit dir zu sein mehr war als das Ergebnis einer Pro-Kontra-Liste, was ich dir mehr als einmal vorlügen musste, um mich selber davon zu überzeugen.
Dass ich nicht immun war, gegen das, womit mich die Gesellschaft seitdem ich bewusst denken konnte 24/7 beschallte und quälte, dass ich eine zweite Hälfte brauchen würde, die mich vervollständigte.
Unterschätzt habe ich, wie verletzlich und zerborsten ich war davon, immer und immer wieder zu versuchen, die Fülle meiner Selbst, meine Härte und Sanftheit, die Scherben in meinem Mund, den Kopf voller Schlangen, meine Fuck-it-Attitude und den Perfektionismus und die nackte Wahrheit auf meiner Zunge für andere verdaulich zu gestalten, nur um an der Gewissheit, dass ich nicht alleine war, festzuhalten.
Ich habe mich darauf versteift, irgendwie durch eine Verbindung einen Sinn zu sehen am Ende meines Lebens, eine Hand, die ich halten kann, einen Menschen, der mich in das, was nach dem Hier und Jetzt kommen mag, begleitet und beschützt.
And I guess I learned the hard way, dass Liebe, so wie sie mir beigebracht wurde, nichts als Egoismus und Wunschträumerei ist, dass es nicht Bestimmung oder Schicksal ist, mit wem man sich trifft, dass man keinen inheränten Sinn darin findet, sich für immer an jemanden zu binden.
Am Ende der Gleichung steht keine Partnerperson, der oder die unser Ist-gleich ist, sondern nur die allumfassende Angst, unser Leben ist nicht voll genug, wenn wir nicht zu jeder Zeit einen Menschen haben, der unsere Existenz auf diesem Planeten etwas erträglicher macht.
Unter’m Strich, liebe ich dich immer noch nicht.
Zwar mussten wir auch dieselben Challenges, Probleme und Kämpfe erleben, die zwischen alloromantischen monogamen Menschen in längerfristigen Beziehungen abgehen, aber eigentlich habe ich seit Monaten gespürt, dass wir kein gutes Team mehr waren, unsere Gleichungen nie aufgingen, die Puzzleteile, die am Anfang so perfekt ineinander passten, kein stimmiges Bild mehr ergaben.
Wie auch, wenn wir immerzu zwei Sets verschiedener Bauteile ineinder kippen und vermischen wie soll man da die Teile finden, die zusammen ein Kunstwerk ergeben?
Wie soll das Haus im Sturm nicht zusammenbrechen, wenn wir immerzu das Fundement, welches so bombenfest gebaut ist, mit unnötigem Kleinscheiß bedecken?
Wie sollen meine Wunden und Narben, Label und Ängste, meine zerkratzen Hände, die Farbe unter meiner Haut, die Worte hinter meiner Stirn, das Feuer meiner Fingerspitzen sicher in den Tälern deiner Arme liegen, wenn mir irgendwo in den Abgründen dieser Beziehung der Wald vor lauter Bäumen verloren gegangen ist und ich nie in der Lage war zu sehen, warum wir uns entschieden, einen Teil unseres Weges gemeinsam zu gehen?
Es gibt keinen anderen Weg aus diesem Dilemma, als uns sterben zu lassen und mir zu beweisen, dass dies nicht für immer das Ende unserer Verbindung sein muss und dass ich besser langsam lerne auszuhalten, alleine zu sein.
Gewiss hast du meine Wunden nicht geschlossen oder meine Narben verschwinden lassen und du hast mir auch nicht beigebracht, wie sich Liebe anfühlt, aber durch dich weiß ich jetzt, dass Beziehungen gemacht sind für Menschen, die für eine kurze Zeit zueinander passen.
Ich werde dich nie lieben können, aber das ist okay so.
Das heißt nicht, dass ich nicht weiß, was meine Version von Liebe ist, auch wenn die Details mir noch nicht ganz klargeworden sind.
Egal wie viel ich weiß oder nicht weiß, wie viel ich bin oder nicht bin: Ich kann lernen jemanden zu lieben.
Und zwar
mich selbst.
~ Jako Elia Daraen Spretz [Instagram] (Text für den Arospec-Week Poetry Slam 2023 zum Thema Aromantik trifft Romantik)