Ich weiß nicht, wann ich zum ersten Mal wahrgenommen habe, dass ich anders über romantische Beziehungen nachdenke, als die Menschen in meiner Umgebung. Vermutlich war es schon ein wenig früher, aber ich erinnere mich, dass ich einmal an einer Runde teilnehmen musste, wo Teenies Fragen zu Beziehung und Verliebtheit stellen durften/mussten (für meinen Fall war es mehr ein „müssen“, die meisten anderen waren zumindest gefühlt freiwillig dort). Diese Fragen wurden gemischt und dann der Reihe nach beantwortet und ich weiß noch, dass ich damals am Boden gelegen bin, eigentlich viel lieber geschlafen hätte und dann die Frage vorgelesen wurde: „Was mache ich, wenn ich mich in jemanden verliebe?“ An die offizielle Antwort kann ich mich nicht mehr erinnern, sehr wohl aber an den ersten Gedanken, der mir durch den Kopf ging:
„Nichts. Warum sollte ich da irgendetwas machen wollen?“
Nicht, dass ich „Verliebtheit“ zu diesem Zeitpunkt sinnvoll hätte fassen können und ich kann das bis heute nur teilweise einordnen, aber geändert hat meine Antwort sich kaum. Die Frage, ob ich jemals romantische Gefühle für einen anderen Menschen entwickelt habe (ich tue mir da manchmal schwer das von sensueller Anziehung zu trennen, die ich ab und an empfinde), kann ich nicht klar beantworten, aber zumindest waren es nie welche, die sehr stark gewesen wären oder zur Folge gehabt hätten, dass ich deshalb aus eigener Initiative eine romantische Beziehung mit der Person hätte eingehen wollen.
Die meiste Zeit bin ich überhaupt nicht an Beziehungen interessiert und das eine Mal, dass ich eine romantische Beziehung ergeben hat, war das primär, weil ein anderer Mensch romantisches Interesse an mir entwickelt hat und ich entschieden hatte, diesmal nicht direkt ‚Nein‘ zu sagen. Obwohl der Partnermensch sehr bemüht war, habe ich mich schnell eingeengt und unwohl gefühlt, weil ich ständig das Gefühl hatte, dass wir zu sehr aufeinander kleben und Erwartungen existieren, die ich nicht einmal ganz greifen kann. (Die Kommunikation war auch nicht immer die Beste.) Als die Beziehung dann vorbei war, ging es mir da wieder ein wenig besser, auch wenn es mir ein wenig Leidgetan hat, weil ich mit etwas engeren nicht-romantischen Beziehungen eigentlich immer klar gekommen bin, ohne mir derart eingeschränkt zu fühlen. Mit ca. 23 Jahren bin ich auf das Aromantische Spektrum gestoßen. Es hat eine Zeit gebraucht, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen, aber im Endeffekt hat es mir gut getan, Menschen kennenzulernen, die ähnliche Lebenserfahrungen gemacht haben und machen. Ich labele mich und meine Erfahrungen nicht gerne bis ins kleinste Detail und verorte mich daher simpel irgendwo auf dem Spektrum, oder bezeichne mich als „aromantisch“.
Für die Zukunft kann ich mir theoretisch auch vorstellen, dass sich auch eine Art romantische Beziehung ergibt, in der ich mich wohl fühle, solange gut kommuniziert wird, würde aber nicht bewusst danach suchen und andere Beziehungskonzepte vorziehen. Da ich zumindest keine biologischen Kinder möchte, ist eine eigene Familie für mich auch kein Bedürfnis. Was als romantisch verstandene Aktivitäten angeht, kann ich bei manchen Kompromissen eingehen, mit anderen Dingen aber weniger gut leben – Ich denke, da bräuchte es einfach gute Kommunikation und eine Klärung der jeweiligen Bedürfnisse.
Aber selbst wenn sie nie wieder eine Form von romantischer oder nicht-romantischer Partner*innenschaft ergibt, kann ich damit gut leben (und keine ist sicher besser, als mich dauerhaft eingeengt zu fühlen). Meine Freund*innenschaften bedeuten mir ziemlich viel und auch wenn ich manchmal traurig bin, dass andere Menschen das anders bewerten (oder Partner*innenschaften kategorisch über Freund*innenschaften stellen), bin ich inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass jeder seine eigenen Prioritäten unterschiedlich bestimmen dürfen sollte. Ich wünsche mir nur manchmal, dass diese Bewertungen nicht so oft allgemein auf andere Menschen übertragen werden würden, sondern verschiedene Narrative für Priorisierungen und unterschiedliche Lebenswege gesamtgesellschaftlich sichtbarer und allgemein zugänglich wären.
~ Finn