Wie ich meine sensuelle Anziehung verstehen lernte

Ich bin ein sehr kuscheliger Mensch. Sobald ich Menschen im Real Life kennengelernt habe und grundlegend sympathisch finde, fühle ich mich wohl damit, ihnen eine Umarmung anzubieten. Und wenn ich Menschen dann mehr als grundlegend sympathisch finde, passiert es oft sehr schnell, dass ich mir mehr Körperkontakt als das vorstellen kann. Aber das war nicht immer so.

Rückblick: In meiner Kindheit geschahen Umarmungen in Familienkreisen meistens nur zur Begrüßung oder zum Abschied und weil es sich so gehörte (z.B. beim Besuch der Großeltern oder anderer Menschen des erweiterten Familienkreises) und hatten keinen inneren Antrieb aus mir selbst heraus. In der 7. Klasse begannen dann obligatorische, morgendliche Begrüßungsumarmungen unter Klassenkameradinnen. Gefragt wurde da nicht und zu den meisten Menschen, die mir diese Umarmungen aufdrängten oder aufzudrängen versuchten, hatte und wollte ich keinen tiefergehenden, privaten Kontakt, schon gar keinen körperlichen. Dadurch manifestierte sich in mir eine allgemeine Ablehnung gegen Umarmungen, die ich in den darauffolgenden elf Jahren so auch mal mehr, mal weniger bewusst nach außen kommunizierte. So lange dauerte es nämlich, bis ich entdeckte, dass ich Körperkontakt richtig genießen konnte, wenn ich Personen erst einmal ein bisschen kennengelernt hatte, und bis ich verstand, dass meine vorherige generelle Ablehnung hauptsächlich ein Schutzmechanismus aus der Schulzeit war. Erst als ich dann im Zuge meiner aspec Erkenntnis über sensuelle Anziehung stolperte, konnte ich meine Jugenderlebnisse als grenzüberschreitend einordnen, meine eigenen Empfindungen verstehen und Körperkontakt mit mir nahestehenden Menschen bewusst genießen.
Den bisherigen Höhepunkt meines Erlebens von sensueller Anziehung hatte ich vor circa einem Jahr, als ich bei einem befreundeten Menschen zu Besuch war und wir gerade für ein Bastelprojekt brainstormten. Ich verspürte plötzlich ein so tiefgreifendes Bedürfnis, diesem Menschen körperlich nahe zu sein, ihn zu umarmen oder mich an ihn zu schmiegen, dass ich mich gar nicht mehr auf das Brainstorming konzentrieren konnte. Blöd nur, dass mein Verhältnis zu diesem Menschen zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal eine Umarmung zur Begrüßung oder zum Abschied hergab. Ein paar Tage später fasste ich dann beim gemeinsamen Kochen den Mut, ein Gespräch darüber anzufangen. Es stellte sich heraus, dass wir beide in der falschen Annahme gewesen waren, dass die jeweils andere Person Körperkontakt nicht so wirklich mochte.

Körperkontakt ist für mich immer noch keine Selbstverständlichkeit und wird es auch niemals werden. Ein paar Menschen in meinem Leben stehen diesem eher ablehnend gegenüber, brauchten länger, um es wirklich selbst zu wollen, oder haben nur sehr selten das Bedürfnis danach. Und das ist voll okay so! Körperkontakt ist eh nur dann richtig schön, wenn alle Beteiligten das wirklich möchten und sich in der Situation wohlfühlen. Und Menschen zu fragen, ob sie umarmt werden wollen (oder an einer anderen Form von Körperkontakt teilnehmen wollen), sollte definitiv eine gesellschaftsfähigere Praktik werden!

~ Meo