Wer A sagt, muss auch G sagen? Über Aromantik, Gender, und seltsame Normative

Mein Gender und meine aro*spec-Identität sind untrennbar miteinander verknüpft. Ich bin genderqueer und aromantisch. In der Welt werde ich aufgrund von Normativen als weiblich gelesen. Das Queersein sieht man mir anscheinend an, oder zumindest tun das andere queere Menschen. „Rainbow Recognition“ sagt ein befreundeter Mensch dazu, und meint damit: queere Menschen sind gut darin, andere queere Menschen zu erkennen.

Aber was ist das, was sie erkennen oder zu erkennen glauben? Diese Frage stelle ich mir vor allem deshalb, weil Aromantik auch innerhalb der queeren Community noch ziemlich unbekannt ist oder nicht als ernst zu nehmende Identität wahrgenommen wird. Auch mein Gender ist aus meiner Präsentation nicht immer auf den ersten Blick erkennbar – oder so denke ich zumindest.

So oder so: mir werden anscheinend auf den ersten Blick bestimmte Sachen zugeschrieben, und das sowohl von queeren als auch von nicht-queeren Menschen. Ich gehe davon aus, dass diese eher mit meinem Gender in Verbindung stehen als mit anderen Aspekten meiner Identität. Als genderqueere, weiblich gelesene Person, die mit anderen weiblich gelesenen Personen (nicht nur, aber auch“ „zusammen ist“, wird mir, wie vielen anderen queeren Menschen auch, Sexualität und Romantik zugeschrieben. Gleichgeschlechtliche Beziehungen werden von der heteronormativen Mehrheitsgesellschaft hypersexualisiert wahrgenommen; andererseits werden ihnen aber auch, gerade wenn es um weiblich gelesene Personen geht, positive Attribute im Vergleich mit Hetero-Beziehungen zugeschrieben wie beispielsweise die Gleichberechtigung beider Partnerpersonen, die Einfachheit von Kommunikation, besserer Sex (weil, so die Annahme, mensch aufgrund der Genitalkonfiguration besser weiß, was mensch tut), etc. Beziehungen wie meine werden von nicht wenigen Hetero-Menschen als erstrebenswert gesehen und ihnen wird zugeschrieben, dass in ihnen bestimmte Dinge möglich sind, die in Hetero-Beziehungen nicht möglich sind.

Mich befremdet das aus mehreren Gründen. Zum einen identifiziere ich mich wie ausgeführt nicht als Frau, und selbst wenn? Dinge wie die viel beschworene Gleichberechtigung der Partnerpersonen sind meines Erachtens unabhängig von gesellschaftlichen Strukturen prinzipiell in jeder Beziehung möglich, so das von den Partnerpersonen angestrebt wird. Das geht nicht so automatisch.

Zum anderen bin ich selbst in der Aro-Community aufgrund meiner radikalen Ansichten zu essentiellen Grundannahmen zu Themen wie Romantik, Aromantik, Amatonormativität etc. eine Ausnahme. Denn ich glaube nicht, dass Aromantik eine Sache von Anziehung oder Präferenz ist – ich glaube, dass Romantik und romantische Liebe konstruiert sind und wünsche mir eine Gesellschaft, in der wir nicht unsere komplette Lebensplanung an eine romantisch-sexuelle Zweierbeziehung hängen müssen, deren Scheitern oft lebenszerstörend wirken kann. Insofern hängen mein Gender und meine Aromantik, so ich sie denn als solche labeln kann und darf, dahingehend zusammen, als dass Geschlechterrollen oft mit Rollen innerhalb von romantischen Beziehungen zusammenhängen und meine ideale Welt eine ist, in der weder Geschlechterrollen noch romantische Narrative existieren.

Mir greift viel queerer Aktivismus zu kurz, der auf Assimilierung queerer Lebensentwürfe in das cis-allo-allo-hetero-dyadische Gesellschaftsnormativ abzielt. Natürlich möchte ich, dass queere Menschen die gleichen Rechte haben wie nicht-queere Menschen. Aber die klassische Ehe ist eben nicht der Lebensentwurf, den wir alle für uns haben. Ich möchte Gesetze, die es mir möglich machen, dass ich und die Menschen, denen ich am nächsten bin, unabhängig von sexueller Orientierung und der genauen Art unserer Beziehungen füreinander bestimmte Verantwortungen übernehmen können, dass wir im Todes- oder Unglücksfall für die finanzielle Sicherheit der Hinterbliebenen sorgen können, dass wir einander im Krankenhaus besuchen dürfen, an eine vernünftige Krankenversicherung kommen, und lauter so Zeugs.

Darüber hinaus wünsche ich mir aber, dass unsere Beziehungen auch sozial als die Beziehungen anerkannt werden, um die herum wir unser Leben strukturieren. Ich möchte nicht nach „meinem Partner“ gefragt werden und ich möchte auch nicht das Wort „meine Freundin“ benutzen müssen, um die Beziehung zu einer meiner queerplatonischen Partnerpersonen im alltäglichen Sprachgebrauch zu legitimieren. Genausowenig möchte ich mich als Mann oder Frau verorten müssen.

Tja, und warum schreibe ich nun diesen Text? Weil Romantik was ist, was anderen Menschen passiert, und Gender ist irgendwie auch was, was anderen Menschen passiert. Ich kann mit beiden Konzepten wenig bis gar nichts für mich persönlich anfangen, was mich im täglichen Umgang mit anderen Menschen oft sehr verwirrt, da deren Zuschreibungen an meine Person und meine Beziehungen für mich oft keinen Sinn ergeben. Ich finde es sehr anstrengend, mich in ein Normativ hineindenken und dementsprechend handeln zu müssen, sowohl was mein Gender als auch was meine Aromantik angeht, und wünsche mir, dass ich das in Zukunft weniger tun muss.

~Mäx