Liebe – Agape, Eros und Philia

Liebe.
Liebe als Textthema. Ich war ratlos. Ja, ich sage Leuten „Ich hab Dich lieb“, habe Lieblingsessen und sage, dass ich es liebe, dies oder das oder jenes zu tun, Aber Liebe ansonsten ist mir fremd, jedenfalls wenn es im romantischen Kontext definiert wird.
Aber Liebe kann auch viel mehr sein.

Das Altgriechische zum Beispiel hat ganz viele Wörter, die sich irgendwie mit Liebe übersetzen lassen. Ich möchte drei charakterisieren

Da haben wir zuallererst Eros (ἔρως) . Eros bezeichnet Liebe auf einer sexuell/romantischen Ebene – in dieser Hinsicht war das Split Attraction Model den alten Griechen anscheinend noch unbekannt. Nun ja, dass mir in dem Kontext Liebe fremd ist, hatte ich ja bereits angedeutet. Dieser Kontext der Liebe ist der, der mich oft so skeptisch wir dem Wort Liebe lassen wird. Der, der mich vor dem Begriff Liebe fremdeln lässt. Aber Liebe lässt sich weiter fassen.

Da gibt es zum Beispiel die Agape (ἀγάπη). Agape ist noch weniger konkret. Agape bezieht sich nicht auf eine konkrete Person. Im Gegensatz zu Eros und Philia steht ihm keine konkrete Person gegenüber, sondern Agape ist eine Haltung der Person, die liebt. Agape ist auch die Art von Liebe, die Paulus im Brief an die Korinther (einem beliebten Predigttext zu Hochzeiten) als langmütig und freundlich beschriebt, und als eine Liebe beschrieben wird, die sich nicht aufbläht, sich nicht ungehörig verhält, die sich nicht erbittern lässt. Sie erträgt alles, sie glaubt alles und sie hofft alles.

Agape ist das, was im Deutschen häufig als Nächstenliebe bezeichnet wird. Damit kann ich schon eher was anfangen.

Dann kommt noch Philia (φιλία). Philia ist eine freundschaftliche Liebe. Wir nennen sie eher Freundschaft, aber nach dem Modell des Altgriechischen ist auch dies eine Liebe. Eine Liebe auf Gegenseitigkeit. Beide Personen haben ein Gefühl für die andere Person, was sie eint.

Dies kann sein, das sich ein Nutzen ergibt. Diese Philia, die rein aus Nützlichkeit besteht, ist etwas, was wir normal noch nicht mal als Freundschaft bezeichnen, sondern eher als Bekanntschaft. Das können Nachbarn sein, Arbeitskolleg*innen – es entsteht einen Austausch, weil ein gemeinsames Thema existiert – aber nach einem Wohnungs- oder Jobwechsel sind diese Verbindungen oft schnell verschwunden. Auch so eine kann dennoch lange anhalten — ich kenne Nachbarn, die seit 60 Jahren sich mehrmals im Monat treffen, aber wenn einer wegziehen würde würden sie sich wahrscheinlich nie wieder sehen.

Als nächste Stufe kommen Philiai (-ai ist hier der Plural), die auf Freude basieren. Es existiert ein gemeinsames Hobby, man hat Spaß miteinander. Diese Philiai sind tiefer als die oben erwähnten. Aber auch diese sind nicht fest. Wenn das gemeinsame Hobby verschwindet, die gemeinsame Basis verschwindet, ist auch diese Philia in Gefahr. Es ist eine Art Schönwetterphilia — weswegen ich mir mit dem Wort Freundschaft hier auch schwer tue.

Aber es gibt eine dritte Stufe. Ich würde sagen, das ist die Krone der Philia. Und vielleicht auch mit der Grund, warum die Philia manchmal als Liebe bezeichnet wird. Diese Philia kann laut Aristoteles nur zwischen »guter und an Tugend sich ähnlicher Menschen«. Wir führen diese Philia nicht (nur), weil uns ein nützlicher Aspekt verbindet. Wir fürden diese Philia nicht (nur), weil wie ein gemeinsames Hobby. Wir führen diese Philia, weil wir den Menschen mögen. Es geht nicht um Nützlichkeit oder gemeinsame Freuden, sondern um den Charakter. Wir mögen den Menschen. Solche Philiai sind selten. Sie sind die Menschen, die wir wohl als echte Freunde verstehen. Wir haben zumeist nur eine Handvoll davon, aber diese sind wertvoll. Und wir nennen sie Freundschaften, aber aus meiner Sicht ist die Verbindung zu diesen Personen auch eine Liebe (oft als „lieb haben“ bezeichnet), die aber ohne erotische oder sexuelle Anziehung auskommt. Ich führe verschiedene dieser Philiai – unterschiedlich intensiv, aber alle sehr bereichernd – und hoffentlich nicht nur für mich, sondern auch für die anderen Personen.

Was ist es also, mit mir und der Liebe?
Das hängt vom Begriff Liebe ab. Eng im Sinne von Eros ist er mir weiterhin fremd. Aber anderseits darf ich Agape leben, Agape erfahren und verschiedene Philiai führen – und auch all dies ist aus meiner Sicht Liebe.

~ Blebbi