Ein gedankliches Zwiegespräch

Liebe Person, die du auf einem großen CSD-Umzug am Rand bei den Zuschauenden standest und ein selbstgebasteltes Pappschild hoch hieltest, auf dem die Ace- neben der Aro-Flagge abgebildet war, in der Mitte zwischen den Flaggen ein grünes, ziemlich deprimiert dreinblickendes Monster prangte und oben drüber sinngemäß stand: “You just haven’t found the right person yet.” („Ihr habt bloß noch nicht die richtige Person gefunden.“) Meine Frage an dich: Was möchtest du Personen auf dem A*spec, wie mir, damit sagen und welchen Mehrwert ziehst du daraus, auf einem CSD, wo wir alle gemeinsam unsere Queerness feiern und für sie demonstrieren wollen, einen Teil der Community scheinbar zu diffamieren?

Ich hätte dich gerne persönlich angesprochen und dir meine Frage gestellt, aber im Gegensatz zu dir stand ich nicht am Rand des Geschehens, sondern war Teil des Stroms, der bunten Massen, die sich stetig, tanzend und feiernd, vorwärts schob. Ich konnte dich nicht erreichen, aber deine mühevolle Arbeit für dieses Pappschild ließ mich nicht los.

Obwohl es so viele Teile der queeren Community gibt, denen du mit einem anderen Schild oder der entsprechenden Flagge deine Unterstützung hättest zeigen können, hast du scheinbar Zeit und Energie in ein Schild gesteckt, dessen Message Personen auf dem A*spec ihre Identitäten abspricht und sie damit vom CSD ausschließt. Falls du dich aber mit dem Schild über die üblichen Sprüche lustig machen wolltest, mit denen sich Menschen auf dem A*spec oft konfrontiert sehen, und einfach nur ironisch sein wolltest, ist die Nachricht zumindest bei mir als A*spec-Person nicht angekommen. Ich denke, damit wurde dann kein Teil der Community wirklich unterstützt, obwohl das vielleicht dein eigentliches Anliegen war.

Daher will ich hier, weil du dir so viel Mühe gegeben hast, einmal versuchen, aus meiner eigenen, subjektiven Perspektive als A*spec-Person (ich bin ace und demi-aro) meine eigenen Gedanken dazu zu formulieren.

Zu allererst: Ich glaube nicht, dass es für irgendeinen Menschen “die richtige Person” gibt. Warum, würdest du mich jetzt vielleicht fragen? Ich würde antworten: Weil Beziehungen, in jeglicher Form, immer ein Prozess sind. Menschen können sich ändern und vielleicht irgendwann eben wieder auseinanderleben, selbst wenn ihre Partner*innenschaft lange sehr gut funktioniert hat und für alle Beteiligten genau das war, was sie zu dem jeweiligen Zeitpunkt gewollt haben. Hinterher zu sagen, das war noch nicht “die richtige Person”, ist nur aus retrospektiver Sicht möglich und meines Erachtens nicht sinnvoll.

Als nächstes frage ich mich, wieso das Schild nur von einer “richtigen Person” spricht? Ich kann doch auch in Poly-Beziehungen glücklich sein oder verschiedenartige Typen von Beziehungen zeitgleich oder auch nacheinander führen. Diese können sich alle nach den „richtigen Menschen“ für mich anfühlen. Eben die „richtigen“ in diesen oder jenen Momenten. Ob es nun QPRs, romantische und andere Partner*innenschaften, Freund*innenschaften oder ganz andere Formen von Beziehungen sind, spielt dafür keine Rolle. Vielleicht möchte ich auch gar keine Form von engerer zwischenmenschlicher Beziehung führen und bin damit genauso froh. Menschen an sich müsste ich dafür ja gar nicht meiden, dafür reichen mir nämlich auch flüchtige Kontakte.

Des Weiteren frage ich mich, wieso du zu glauben scheinst, dass wir und damit auch ich vermeintlich unglücklich auf der Suche nach “der einen richtigen Person” seien, die uns dann von unserem A*spec-Sein heilen würde. Ich führe aktuell einige freund*innenschaftliche Beziehungen und hatte auch schon mehrere langjährige romantische Partner*innenschaften, in denen mich, nachträglich betrachtet, einzig das Nichtwissen, und damit die unbeabsichtigte Verleumdung meiner A*spec-Identität, unglücklich gemacht hat. Und das sorgte nicht nur bei mir, sondern auch bei meinen Partnerpersonen für Leidensdruck, weil diese, noch deutlicher als ich selbst, spürten, wie ich versuchte, einen Teil von mir zu unterdrücken. Meine A*spec-Identität ist für mich also nicht das Problem, sondern meine Lösung, Akzeptanz meiner selbst in all meinen Facetten damit auch mein Schlüssel zum Glück.

Ein letzter Gedanke ist mir noch zu deinem Schild gekommen: Allem Anschein nach glaubst du, dass mensch nur in partner*innenschaftlichen Beziehung mit anderen Personen fröhlich sein kann, dass es also eine (oder mehrere) Partnerpersonen braucht, die einen durchs Leben „tragen“. Ich persönlich denke das nicht und glaube, dass jemensch selbst dafür verantwortlich ist. Ich teile meine Zufriedenheit gerne mit anderen, aber diese Menschen sind nicht für mich verantwortlich, auch wenn sie mir gelegentlich helfen und für mich einstehen, wie ich für sie auch.

Zusammenfassend möchte ich dir, liebe*r Pappschildbastler*in, sagen: Nein, wir sind keine grimmigen, grünen Monster, die nur “die richtige Person” finden müssen; wir sind queere Menschen, die ihre eigene Identität schätzen, und, wie alle anderen Menschen auch, das Leben in all seinen Spektren genießen können, auf CSDs demonstrieren und feiern wollen. Wir gehören dazu und lassen uns nicht wegreden oder vertreiben. Leb einfach damit, denn auch du bist in all deinen Facetten willkommen 😉

~ Noir